DAS LEBEN ALS MENSCH: Neulich ….. beim Nachdenken über Fußball und die Kommentatoren

von danielanderson1502

Der Beruf des Fußballkommentators ist einer der schönsten, aufregendsten, aufgeregtesten, erfüllendsten und auch gefährlichsten, die die mediale Neuzeit hervorgebracht hat.

Wahrscheinlich ist daher die fußballbegeisterte Menschheit auf unserem Planeten auch eine Ansammlung von Fußballreportern. Denn, sind wir mal ehrlich, die Goldmedaille, unter den schönsten Nebensachen der Welt, hat Sex schon lange an den Fußball verloren – spätestens, ab dem Augenblick, wo im Frauenfußball auch Weltmeisterschaften ausgetragen werden.

Die Menschen, die tatsächlich Geld damit verdienen, dass sie dem Konsumenten das Spiel erklären, erläutern und somit ganz nahe bringen, befinden sich im Gefüge einer sehr strengen Hierarchie, man könnte auch sagen ‚Hackordnung‘.

Die Basis dieser Pyramide bilden die ganz normalen Nachrichtensprecher, die jeweils am Schluss einer Nachrichtensendung, egal, ob im Radio oder im TV, die Ergebnisse der Spiele dem anderen, nicht fußballversessenen Teil der Weltbevölkerung mitteilen darf. Alle anderen wissen ohnehin schon Bescheid.

Einen kleinen Schritt weiter, also weiter oben, stürmen die Fußballjournalisten regionaler Zeitung. Diese, eigentlich bedauernswerten Geschöpfe haben Kollegen der Liveberichterstattungen gegenüber den Nachteil, dass ihre geschliffenen, eloquenten Formulierungen zum Spielgeschehen erst am nächsten Tag das Licht der Welt erblicken dürfen. Dazu mag sich die Frustration gesellen, außer über Fußball auch noch über so spannende Ereignisse von Randsportarten wie Synchronschwimmen, Schach, Boule oder den Wettbewerben im Pfahlsitzen des Landkreises mindestens 30 Zeilen schreiben zu müssen.

Die nächste Hirarchiestufe ist erreicht, wenn man als Fußballexperte bei einer überregionalen Tageszeitung in der Sportredaktion angekommen ist. Außer in den Ligapausen haben diese Kollegen eigentlich immer was zu berichten, schließlich ist man schon spezialisiert, der ‚vergesellschaftete Prozess der Arbeitsteilung‘ (Marx) beginnt hier zu greifen. Mit Eierlaufen anlässlich des Wohltätigkeitsbasars einer Kirchengemeinde hat man hier nichts mehr zu tun. Der Blick geht dennoch weiter heimlich nach oben.

Und zwar zu der, schon sehr nah an der Elite dieser Zunft sitzenden Reportern der Fußballfachblättern. Diese Kollegen fahren auch schon mal in weit entfernte, in exotischen Ländern stattfindende Trainingslager der Nationalmannschaft oder zu Freundschaftsspielen auf die Färöer-Inseln. Sie bekommen jedes Interview mit jedem Spieler, Trainer, Sportvorständen und Vereinspräsidenten. Sie werden zu jedem Event des DFB eingeladen, werden hofiert und gepampert. Sie können Könige machen und Könige stürzen, über Olymp oder Gosse bestimmen.

Ab jetzt wird die Luft sehr dünn, denn, hat man es geschafft, die nächste Hürde zu nehmen, öffnet sich die Tür zum erlauchten Kreis der elektromagnetischen Medien Radio und Fernsehen. Hier ist der Reporter selbst ein Star, vor allem deswegen, weil er in seinem Berufsleben mehrere Generationen von Berufskickern überleben kann. Besonderes, nicht hoch genug zu schätzendes Glück hat man, wenn man beispielsweise wie Waldemar Hartmann in der Ausübung des Berufs von einem Bundestrainer (Rudi „Über-meine-Frisur-mache-ich-mir-keine-Illusionen“ Völler) live beschimpft wird. Das kann Werbeverträge für Weißbier und sogar eigene Shows zur Folge haben.

Und dennoch teilen sich auch hier noch einmal Wasser und Wein oder eben Weißbier und Alkoholfreies. Im Wasser tummeln sich die Analysten, die sich von einem sogenannten Experten, meistens einem Ex-Nationalspieler flankiert, vor dem Spiel, in der Halbzeitpause und nach dem Schlusspfiff über Aufstellungen, Spielzüge, taktische Geplänkel und Einzelleistungen der Spieler, der Schieds-, Linien- und Torrichter auslassen dürfen. Und das auch noch ungeschnitten und in Echtzeit.

Langsam nähern wir uns der Spitze, wenn man die Livereporter des Fernsehens betrachtet. Sie vollbringen, unterstützt von zahllosen, dienstbaren Geistern im Hintergrund, wahre Wunderwerke – sie haben Statistiken über Torschüsse ebenso zu Hand wie Spieler-, Trainer- und Mannschaftsarztbiographien, erkennen an den Farben der Schuhe auf 150 Meter, welcher Spieler gerade einen Zweikampf verloren hat und können alle diese Informationen in derselben Sekunde loswerden. Sie werden verehrt wie Götter und gescholten wie Hunde, ihnen liegt das Fußballvolk zu Füßen oder sie werden von den anderen 60 Millionen Kommentatoren vor dem Bildschirm in den Staub getreten.

Die Königsklasse allerdings ist wirklich nur für sehr wenige Auserwählte, man möchte fast sagen ‚Geweihte‘ zu erreichen. Und das sind die Radioreporter. Demjenigen Konsumenten, dem der visuelle Kontakt zum Spielgeschehen fehlt, eben dieses so nahe zu bringen, als wäre er physisch im Stadion anwesend, diese Macht ist tatsächlich nur wenigen gegeben. Und für einige unter den Vertretern dieser Spezies mit dieser Gabe ist manchmal sogar Unsterblichkeit zu erreichen. Nahezu jeder ist seit dem 04. Juli 1956 mit Herbert Antoine Arthur Zimmermann auf dem Du-Fuß: „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt – TOR, TOR, TOR….!“

Die tückischste Falle jeder Live-Berichterstattung aus der Arena ist die der Nichtzurücknehmbarkeit von einmal gesagtem. Das gilt ganz besonders und im Speziellen beim Fußball. Die Komik, die sich oft aus dem Unterbewusstsein Bahn bricht, ist meistens unfreiwillig. Bei der eben zu Ende gegangenen Europameisterschaft wurde diese Beobachtung wieder einmal mehr als bestätigt. Daher jetzt hier meine persönliche Top-10-Hitliste der besten Sprüche, die mich live, in Dolby-Surround und in Farbe zu beglücken vermochten.

Platz 10: Und jetzt müssen die Polen auch noch dabei zusehen, wie die Russen kommen.

Platz 9: Links, rechts, links – eine schöne Zahlenkombination bei den Griechen, aber damit können sie sich in der aktuellen Situation auch nicht retten.

Platz 8: Gomez muss man ab und zu mal wenden, damit er sich nicht wundliegt.

Platz 7: In der Ostukraine ticken die Uhren ganz leise für Deutschland.

Platz 6: Da steht das griechische Bollwerk – vielbeinig wie die Akropolis. Schweinsteiger und Sakronidis, die haben das ganz diplomatisch gelöst. Ja, das geht mit den Griechen.

Platz 5: Der Spanier hat seinen offiziellen Keuschheitsgürtel gelockert.

Platz 4: Die Deutschen haben nach den Holländern jetzt ganz entspannt Dänemark vor der Brust.

Platz 3: Sehr schwaches Viererglied bei den Polen.

Platz 2: Boateng sagt sich auch: Ronaldo, wer ist das schon, den decke ich jetzt mal.

Platz 1: Pirlo – die große, alte Dame des italienischen Fußballs.

„Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.“ (Bill Shankly, schottischer Fußballer und Trainer)