DAS LEBEN ALS MENSCH: Neulich ….. Solidarität

von danielanderson1502

Ich weiß nicht, welche Erfahrungen Sie mit Solidarität gemacht haben, meine sind fast ausschließlich eher mau, um nicht zu sagen, eiskalt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich halte mich für einen solidarischen Menschen. Braucht jemand mal schnell eine Castingszene („Oh Gott, der Dreh ist schon übermorgen, hast Du da nicht ein kleines Script für zwei Personen auf Deinem Computer, dass Du mir zur Verfügung stellen kannst?“), braucht jemand ganz dringend einen Cutter für eine Bewerbungsvideo („Du, kann ich eben bei Dir vorbeikommen, Du hast doch Final Cut und Pro Tools, oder?“), Pressetexte („Ich weiß einfach nicht mehr weiter, ich soll den Text auf 10 Zeilen einer Normseite kürzen, aber ich schaff nur 12.“), Türenöffnen („Du kennst doch den X, Y, Z, meinst Du, Du könntest mir mal einen Kontakt dahin machen?“), Exposés („Ich hab hier einen Roman geschrieben und denke, dass das ein guter Film werden könnte, kannste das nicht mal lesen und mir was dazu schreiben?“). Die Reihe ließe sich beliebig lange fortsetzen.

Seltsamerweise habe ich seit Längerem das Gefühl, dass es sich bei alldem um eine Einbahnstraße handelt. Bis jetzt war ich der Meinung, dass das viel beschworene Universum das schon irgendwie regeln wird, klar, das Karmakonto ist doch gut gefüllt, mir kann nichts passieren – aber, denkste. Weit gefehlt, Herr Doktor, sehr weit sogar. Die Solidarität unter den Kreativen und denen, die sich dafür halten, reicht oft nicht mal vom Sessel bis zum Telefon. Selbst, wenn man jemanden einlädt an einem Projekt teilzunehmen und dafür rote Teppiche ausrollt, ist es vielmehr eine Sache des Glücks. Ganz zu schweigen davon, dass, sollte man jemandem etwas wirklich schenken und eine Möglichkeit eröffnen, sich zu präsentieren, man immer das Gefühl hat, jemanden zum „Jagen tragen“ zu müssen. Und: ich rede noch gar nicht davon, mal jemanden um Hilfe zu bitten – es hagelt Absagen, oder es rauscht nur Schweigen im kreativen Wald. Und, ehrlich gesagt, ich weiß nicht, woran das eigentlich liegt. Vielleicht daran, dass der ‚Wind des Geldverdienenmüssens‘ sich zum Sturm ausgewachsen hat? Vielleicht daran, dass die Ellenbogen spitzer und ruppiger werden müssen? Vielleicht aber auch daran, dass die Kreativen am Ende gar nicht so kreativ sind, wie sie immer tun? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich bin ratlos. Das Hilfsbereitsein zahlt sich nicht aus, falls man selbst mal darauf angewiesen ist. Der Wert der Aktie ‚Solidarität‘ ist ins Bodenlose gesunken wie die facebook-Papiere an der NYSE.

Ebenso wichtig wie diese Feststellung, ist die Konsequenz daraus. Gibt’s denn überhaupt eine. Wenn ja, könnte es doch nur die sein, sich selbst zu verweigern, wie weiland Kollege Nietzsche und sich in den Elfenbeinturm zurück zu ziehen – leb wohl, Du grausame Welt?! Oder sollte man dem keine Bedeutung beimessen und weiterhin am Guten, Wahren und Schönen festhalten, um so von den allermeisten Kollegen heimlich als ‚treudoof‘ abgestempelt zu werden?

Der Nimbus der Unnahbarkeit ist noch immer ein Garant dafür, als besonders kreativ und künstlerisch zu gelten. Unter unendlichen Schmerzen sollst Du Dein Werk gebären und auch niemandem dabei helfen, denn sonst ist es nichts wert. Und, bitte, Schreien beim Geburtsvorgang nicht vergessen, damit es die ganze Welt hört. Sollte es tatsächlich so sein, dass die Einsamkeit des „sich-selbst- ungeheuer-wichtig-nehmens“ erst die wirkliche Anerkennung hervorbringt? Es gruselt mich bei dieser Vorstellung.

Aber nicht nur, wenn es um Hilfe bei einem Projekt geht, auch einfache Freundschaftsdienste werden zwar immer vehementer eingefordert, aber man erntet fast schon Missachtung und Geringschätzung, wenn man sich mit Freuden darauf einlässt. Mir kommt die Geschichte von Ephraim Kishon in den Sinn, in der er erzählt, dass er einem Freund Geld geliehen hat und der, weil er es nicht zurückzahlen kann, ihn mit Verachtung und Entzug der Freundschaft bestraft. Ist es tatsächlich so?

Und: es gibt dann doch hin und wieder Ausnahmen, die zwar nur die Regel bestätigen, jedoch die kleinen Fünkchen sind, die in einer ansonsten dunklen Wüste ein Stück des Weges beleuchten. Mein Freund Uli beispielsweise, der einfach mal durch die halbe Stadt fährt, um den Mitschnitt einer Lesung möglich zu machen oder Marcel, der, weil es ihm selbst gute Energie macht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, lautet eine berühmte Sentenz aus Römer 8,24 und man mag entgegnen, ja, aber Hoffnung ist etwas für Leute, denen Informationen fehlen. Sind dann diese ‚fehlenden Informationen‘ die, die das Füllhorn des Egoismus‘ der meisten über den Hoffenden ausschütten würden?

Mein schon allseits bekannter Nachbar mit Migrationshintergrund, Mahmud (Türsteher, Lebenskünstler, Sohn, Versicherungsnehmer) meint dazu: „Weißt du, Daniel, einziges Verlässlichkeit ist von Familie, und auch da nur manchesmal.“